Madagaskar Tag 5-1: Sahambavy
Heute ist für Kiboko der Höhepunkt der Reise. Auf dem Reiseprogramm steht eine Bahnfahrt mit dem Zug des Lebens.
Zug des Lebens
Eine 163km lange Bahnstrecke verbindet die Hafenstadt Manakara am Indischen Ozean mit Fianarantsoa im zentralen Hochland. Die Strecke überwindet rund 1100 Höhenmeter mit zahlreichen Tunnel, Brücken und engen Kurven. Früher führte die Strecke direkt durch den Dschungel. Die anwachsende Bevölkerung hat fast den gesamten Regenwald abgeholzt. Geblieben ist die Isolation. Nur wenige Straßen führen an die Bahn. Viele Ortschaften sind auf den Bahnanschluss angewiesen. Die Eisenbahnlinie ist die Lebensader der Region. Daher wird der Zug auch Zug des Lebens genannt.
Kiboko wird die Teilstrecke von Sahambavy nach Tolongoina befahren. Auf 40km fällt die Strecke von 1097m auf 390m über den Meeresspiegel. In Tolongoina gibt es einen Straßenanschluss. Dort will Eric Kiboko abholen.
Im Bahnhof hängt eine Karte mit dem Streckenverlauf aus.

Fahrplan
Im Bahnhof hängt auch der Fahrplan aus. Er ist als Bildfahrplan ausgeführt. Das ist sehr schön! So hat Kiboko gleich das ganze Geschehen im Blick. Es gibt täglich vier Züge. Zwei Personenzüge sind in rot dargestellt. Die Güterzüge befahren nur einen Teilabschnitt und sind in grün eingezeichnet.
Der Fahrplan ist vom Februar 2005. Er ist also erst viereinhalb Jahre alt. Das hat in Madagaskar nicht viel zu sagen. Es ist abhängig von den einsatzfähigen Lokomotiven. Die Eisenbahngesellschaft FCE (Fianarantsoa Cote Est) hat nur zwei Lokomotiven. Damit können maximal zwei Züge fahren. Eine Lok ist defekt. Die BB242 hat Kiboko beim Abtransport auf einen LKW gesehen. Damit gibt es nur noch eine Lok. Einen Tag fährt der Personenzug talwärts. Am nächsten Tag bergwärts. Die Güterzüge fallen aus.

Fahrkarten
Kiboko hat Glück. Heute fährt der Zug. Am Fahrkartenschalter bekommt Kiboko eine Fahrkarte erster Klasse.

Bahnsteig
Auf dem Bahnsteig treffen immer mehr Reisende ein. Bei so viel Andrang, muss es ein langer Zug sein.


Der Zug kommt
Mit deutlicher Verspätung kommt der Zug um die Kurve. Der Zug besteht aus der Lok BB246 (AD16B, 1600PS), Gepäckwagen KB15005, Personenwagen der 2. Klasse (Btmdywf1 506, Baujahr 1956), Personenwagen 1. Klasse (Atmdywf1 202, Baujahr 1956), Personenwagen 1. Klasse (A011) und ein Personenwagen 1. Klasse (B18). Die Lok schleicht über die Strecke. Lok und Wagen wanken besorgniserregend. Die Gleislage ist auch besorgniserregend. Es ist erstaunlich, dass der Zug über diese verbogenen Gleise fahren kann.
Kiboko hält den Atem an. In Zeitlupentempo rumpelt der Zug über die deformierten Gleise im Vordergrund.
Jetzt versteht Kiboko die Eisenbahn, die den luftbereiften Michelin-Triebwagen wegen der Entgleisungsgefahr nicht mehr auf der Strecke Fianarantsoa - Sahambavy einsetzt.

Der Zug erreicht Sahambavy. Der Zugführer verlässt den Führerstand. Noch während der Fahrt klettert er vorn auf die Kupplung. Mit einem kühnen Satz springt er von der fahrenden Lok auf den Bahnsteig.

Die Loks wurden 1976 von Alsthom gebaut. Sie fuhren als Baureihe 9020 auf Nebenbahnen im Norden von Portugal. Nachdem die Schmalspurstrecken stillgelegt wurden, waren sie arbeitslos. In Madagaskar haben sie eine neue Heimat gefunden.
Auch die Personenwagen wurden gebraucht erworben. Sie stammen aus der Schweiz. Sie sollen von der Furka-Oberalp-Bahn stammen.
Der Zugführer steigt schon wieder in die Lok. Jetzt muss Kiboko noch schnell seinen Wagen finden.

Einsteigen
Die Reisenden versuchen in die bereits überfüllten Wagen einzusteigen. Aber irgendwie passen alle rein. Niemand wird zurückgelassen.


Der vorletzte Wagen ist der Touristenwagen mit der ersten Klasse. Auch dieser Wagen ist gut gefüllt. Zwar hat Kiboko eine Platzkarte. Aber das interessiert im Zug niemanden. Mein Guide Eric hat mir einen Platz freigehalten. Es ist ein Mittelplatz im Großraumabteil. Es ist der einzige freie Platz. Kiboko ist wenig begeistert. Rausschauen und Fotografieren ist von hier aus kaum möglich.
Eric trichtert Kiboko noch einmal ein, in welchen Bahnhof Kiboko wieder aussteigen soll. Dann springt er ins Auto, um mich in Tolongoina wieder abzuholen. Mit dem Auto ist es ein großer Umweg. Der Zug wird schneller sein.